Dirnhofer Veronika

Über den Künstler

Wir alle hoffen auf dieses Meer und dieses Land

„Meine Bilder wurden immer abstrakter, aber mein Tun immer konkreter. Eventuell brauche ich die Projektionsfläche des Bildes nun nicht mehr, obwohl immer noch die Bildproduktion am Ende steht. Aber als etwas Widerständiges, Wildes, Freies.“ Schönheit und Freiheit, Kraft und Widerstand und die Fragilität dieser Zustände sind die Themen, um die unser Gespräch im Atelier anhand dieser neuesten Arbeiten kreisen. Und immer schwebt unausgesprochen die Frage nach der Relevanz von Kunst über allem. Eine Frage, die das Potenzial hat, den Boden, auf dem sich jede von uns bewegt, immer wieder ins Wanken zu bringen. Warum weitermalen, weiterschreiben, weiterdenken? Und wahrscheinlich kommt an diesem Punkt Ingeborg Bachmann wieder ins Spiel, die wider aller Vernunft vom Böhmen am Meer spricht, denn „Ich glaube wirklich an etwas, und das nenne ich ‘Ein Tag wird kommen’. Und eines Tages wird es kommen, ja, wahrscheinlich wird es nicht kommen (…). Es wird nicht kommen, und trotzdem glaube ich daran, denn wenn ich nicht daran glauben kann, kann ich auch nicht mehr schreiben” (Ingeborg Bachmann im Gespräch mit Gerda Haller, zit. nach s.o.). An dieser Stelle überschneiden sich die Denkwelten Bachmanns und Dirnhofers. Aber auch diejenige Saskia Sassens, die im System stets den Handlungsspielraum des Individuums versucht zu finden, oder Hannah Arendts, die angesichts eines politisch und moralisch zerstörten Europas die Vision eines ganz „neuen Europas“ entwickelt – kurz die Denkwelten derjenigen, auf deren Schultern Veronika Dirnhofer ihre Arbeit stellt. Auch für sie ist dieses utopische Moment der Kunst, womöglich entgegen jeder Vernunft, zentral, um überhaupt weiter arbeiten zu können: „Ich glaube wirklich, dass die kleinen Dinge in unserem Handeln wichtig sind. Und wenn du mich nach irgendeiner Deutung fragst: Es geht immer um alles.“ Und wenn das so ist, dann gilt das wohl auch für die Kunst. Denn was wäre die Alternative?

 

Kunst verfügt über die Möglichkeit und die Freiheit ,Themen aufzugreifen und diese assoziativ und nicht streng wissenschaftlich zu behandeln. Veronika Dirnhofers großformatige Werke sind intime Denkräume, in denen sie diese Freiheit zulässt und verschiedene Assoziationen durchspielt und weiter knüpft. Sie kreiert Landschaften, die zwischen Abstraktion und Figuration changieren und als fiktive Orte den Schauplatz und das Grundgerüst für ihre Reflexionen darstellen. In Malerei oder Zeichnung werden unterschiedliche Elemente als Gefühle, Gedanken und Überlegungen in den Bildträger eingeschrieben. Einzelne Komponenten aus Tafellack, Ölfarbe oder Tusche verbinden sich zu einem Konglomerat. Die Arbeiten setzen sich oftmals aus unterschiedlichen Schichten zusammen. Verschiedenartige Papierqualitäten – Zeichenpapier, Transparentpapier, Millimeterpapier – überlappen und überlagern sich collageartig und generieren neue Bild- und Bedeutungsebenen.

Ebenso bezieht Veronika Dirnhofer Fotografien, Abbildungen und Textpassagen aus Magazinen, bekannte Zitate sowie eigene Notizen in ihre Arbeiten ein. Die gesammelten Fundstücke werden eingescannt, in eine ungenauere und undeutlichere Kopie des Originals transformiert und somit verfremdet. Durch den raschen Prozess des Scannens wird das Material – wie ein flüchtiger Gedanke oder Geistesblitz – in das Repertoire der Künstlerin aufgenommen, der eigenen Gedankenwelt angeeignet und in einen anderen Kontext eingebettet. Fremdes und Persönliches werden zueinander in Beziehung gesetzt.
( Elsy Lahner)

Category
Kuenstler